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Phantastische Geschichten

Gefallener Engel

Blitz und Donner

In der Nacht wurden die Bewohner von Linbrügge durch Donnerschläge geweckt. Der Donner ließ die Erde erbeben, und die Blitze tauchten das Tal in helleres Licht als die Mittagssonne. Ein Gewitter im Sommer war den Menschen nichts ungewohntes, aber in dieser Nacht liefen die Mutigen aus ihren Häusern und die ängstlichen, und das waren die meisten, verkrochen sich in ihren Kellern.

Den wenigen Mutigen wurde in dieser Nacht ein Schauspiel geboten, das sie nie in ihrem Leben vergessen würden. Vor einem klaren Nachthimmel, dessen Sterne immer wieder gegen die Blitze verblassten, sahen sie einen Kampf zwischen einem Engel und einem Dämon.

Die Körper der beiden Wesen waren vom Boden aus nicht zu sehen, nur ihre Schwingen zeichneten sich gewaltig gegen den Himmel ab. Die Schwingen des Engels waren strahlend weiß, ihr Licht wurde nur von den mächtigen Blitzen überstrahlt. Die Schwingen des Dämons waren furchtbare Schatten, die selbst das Licht der Blitz verschluckten.

Keiner wusste so recht, wie lange der Kampf gedauert hatte, es mussten Stunden gewesen sein in denen die beiden Kämpfer sich wie rasend umkreisten und Blitze schleuderten, denn als alles vorbei war, zeigte sich bereits das schwache Licht des Morgens am östlichen Horizont.

Keiner konnte sagen, wer von den beiden, Engel oder Dämon, den Kampf gewonnen hatte, denn am Ende hatten sich die Kämpfer aufeinandergestürzt und waren in einem gewaltigen Blitz zusammengetroffen. Als die geblendeten Menschen wieder sehen konnten, war der Himmel leer gewesen.

Der Priester ließ keinen Zweifel daran zu, dass der Bote des Himmels den Kampf gewonnen hatte, denn das Licht obsiegte immer über die Schatten, aber er hatte die Nacht im Keller seines Hauses verbracht. Er hatte die Schwingen des Dämons, diese furchtbaren Schatten, und das fahle Feuer seiner Blitze nicht gesehen.

Viel Arbeit blieb liegen am nächsten Tag. Die Menschen standen und saßen zusammen und redeten über das, was über ihrem Dorf geschehen war. Die Kinder und abenteuerlustigeren Erwachsenen begannen, kaum dass es hell geworden war, die Straßen des Dorfes, die Felder des Tales und schließlich die Wälder zu durchstreifen. Es mussten sich doch Spuren des Kampfes finden!

Sie suchten nach Donnerkeilen und nach Federn aus den Schwingen des Engels. Die wagemutigeren hielten Ausschau nach den Steinen, die dem Dämon während des Kampfes aus der Krone gebrochen sein mussten. Im Laufe des Tages setzte sich allerdings die Meinung durch, dass es vermutlich nur Luzifer selbst war, der eine edelsteinbesetzte Krone trug, die eine solche Ernte versprach.

Der Priester sah sich am Abend mit einem Berg von Federn konfrontiert, die er, sehr zur Enttäuschung der Sammler, ohne langes Zögern allesamt irdischen Ursprungs erklärte. Ein Junge zeigte seinen Freunden heimlich, dass es der Priester ja nicht erführe, eine pechschwarze Dämonenfeder. Er wurde ausgelacht, wusste doch jeder, dass Dämonen mit den ledrigen Schwingen von Fledermäusen bestückt waren, und nicht mit Rabenschwingen.

In der Nacht schlich sich der Junge aus dem Haus, um seine verschmähte und verächtlich beiseite geworfene Feder wieder einzusammeln. Er war sicher, dass er eine Dämonenfeder gefunden hatte, und hütete sie bis zum Ende seines Lebens wie einen Schatz.

Er war der einzige, der an diesem Abend noch an Federn dachte.

Der Fund

Mina war die Magd des Bauern Einsgar, dessen Schweine auf dem Land nördlich des Flusses und in den Wäldern am Fuß der Berge gemästet wurden. Sie war ein mageres Mädchen, dass nie das Interesse der jungen Männer der Umgebung auf sich ziehen konnte, und jeder im Dorf war sicher, dass sie als alte Jungfer auf dem Hof ihres Herrn sterben würde. Darüber hinaus schien sie keinem ihrer Nachbarn einen weiteren Gedanken wert. Bis zu jenem Tag.

Es hatte Mina widerstrebt, das Dorf zu verlassen, aber ihre Herrin hatte sie zu den Wäldern im Norden geschickt, um Kräuter zu sammeln, die sie für ihre Mixturen brauchte, mit denen sie die Schweineherden ihres Mannes behandelte. (Zumindest war das der Zweck, von dem der Priester wissen durfte!) Nun beeilte sie sich, vor der Dunkelheit, und bevor sich das nächste erstaunliche Ereigniss zutrug, den Fluss zu überqueren, der das Dorf von Einsgars Land und den Wäldern trennte.

Die Sonne stand bereits tief im Westen, als sie endlich die alte Steinbrücke erreichte. Das Licht der Sonne funkelte rot auf dem Wasser und schien auf die schwarzen Felsen, auf denen die Brückenpfeiler gebaut waren. Zum ersten mal an diesem Tag lösten sie den Schatten in der Kluft am Südufer auf. Zum ersten mal wurde sichtbar, was den ganzen Tag in diesem Schatten verborgen gewesen war. Mina ließ ihr Bündel achtlos am Nordufer fallen, rannte über die Brücke und sprang zum Südufer hinunter. Atemlos kniete sie vor der Felsspalte und starrte den Engel an.

Seine Flügel waren verschwunden, aber nicht einen Moment hätte sie geglaubt, einen Menschen vor sich zu haben, zu schön war das Gesicht, zu perfekt der Körper, zu makellos die Erscheinung. Selbst zwischen die Felsen gekauert, mit zerrissenem, dreckigen Gewand hätten Könige vor ihm niedergekniet.

Zum Glück kniete jedoch kein König vor ihm, sondern ein praktisches Bauernmädchen, dass sich schnell aus ihrer Befangenheit losriss und näher an die überirdische Gestalt herantrat. Der Atem des Engels war kräftig, und eine scheue Berührung seines Halses offenbarte einen kräftigen Puls. Mina sah keine Wunden, kein Blut, aber die Augen des Engels waren geschlossen, und er reagierte nicht auf ihre zaghaften Berührungen.

Ohne noch lange zu zögern warf Mina ihr Bündel von sich und rannte ins Dorf, im Hilfe zu holen. So fantastisch ihre Geschichte auch war, mit der Erinnerung an die vergangene Nacht brauchte sie nicht lange, um ihre Herrin davon zu überzeugen, wen sie am Flussufer gefunden hatte.

Atemlos stürzte Mina in die Stube und warf ihr Bündel auf den Tisch. Ihre Herrin hatte sie losgeschickt, die vergessenen Kräuter von der anderen Seite des Flusses zu holen, während sie mit ihrem Mann und zwei Knechten den Engel in ihr Haus geholt hatte. Was mochte in der Zwischenzeit alles geschehen sein, und sie, die den Engel schließlich gefunden hatte, war davon ausgeschlossen!

Niemand bemerkte ihre ungestüme Ankunft, zu laut war der Streit der Männer, die sich vor der Schlafzimmertür drängten.

"Es geht doch nicht an," rief Henrik, dem die Rinder auf den Weiden südlich des Flusses gehörten, "dass der Bote des Herrn in einer Hütte wie dieser unterkommt. Er muss in das größte und schönste Haus des Dorfes gebracht werden!"

Damit meinte er sein eigenes.

"Als ob dein Hof größer wäre als meiner!", entgegnete Einsgar. "Und der vergammelte Teppich in deinem Schlafzimmer macht es auch nicht besser als meine Kammer!"

"Er ist ein Geschöpf des Himmels, kein Ort ist für ihn angemessener als die Kirche," fuhr der Priester dazwischen.

Der Streit kam zu einem abrupten Ende, als sich die Tür des Schlafzimmers öffnete. Einsgars Frau, Gudrun, stand auf der Schwelle und sah die Männer verächtlich an, die sich mit einem Mal an die Tür drängten wie die Schweine um den Futtertrog.

Mina sprang auf die Bank neben dem Herd und erhaschte über die Köpfe hinweg einen Blick auf die reglose Gestallt, die im Bett ihres Herrn lag.

"Was schreit ihr hier herum wie die Marktweiber,", fuhr Gudrun die Männer an. "Da drinnen liegt ein kranker Mann!"

"Kein Mann", korrigierte sie der Priester, "ein Engel, und dass..."

"Um so mehr Grund, sich anständig zu benehmen!"

Ihr Mann setzte zu einer Erwiederung an, doch niemand erfuhr, was er sagen wollte.

Der Engel hatte seine Augen geöffnet. Selbst mit dem Rücken zur Tür wusste Gudrun, dass ihr Gast erwacht war. Mit einem Mal erfüllte eine Präsenz den Raum, die von mehr Macht kündete, als sämtliche Könige und Kaiser der Welt inne hatten. Einen Moment glaubte Gudrun, an dieser Macht zu verbrennen, wie eine Motte, die das Licht des Mondes mit einem Scheiterhaufen verwechselt hatte, dann wurde das Feuer gedämpft, als ob der Engel erkannt hatte, dass er unter Menschen war, die seine unkontrollierte Macht nicht ertragen konnten. Noch immer füllte seine Präsenz den Raum, aber sie war schwächer und ruhiger, die Menschen konnten wieder atmen. Erschüttert von dem, was nach ihren Herzen gegriffen hatte, fielen sie auf die Knie, nur Mina blieb erstarrt auf der Bank stehen.

Der Engel ließ seinen wohlwollenden Blick über die Menschen vor der Tür zur Kammer streifen. Sein Mund blieb unbewegt, aber in seinen Augen lag ein Lächeln.

Gudruns Zunge löste sich als erste aus der Starre.

"B...braucht ihr etwas, Herr?"

Der Engel sah sie fragend an.

"Etwas zu essen?"

Er schüttelte den Kopf.

"Etwas zu trinken, Wasser?"

Der Engel schien einen Moment nachzudenken, dann nickte er.

Gudrun sprang auf und füllte ihm einen Becher mit Wasser aus dem Krug, der neben seinem Bett stand. Ehrfürchtig reichte sie ihm den Becher. Ängstlich überlegte sie, ob sie ihm helfen sollte, sich aufzurichten, damit er trinken konnte. Sie hatte ihn berührt, als sie ihn mit ihrem Mann ins Haus getragen und in das Bett gelegt hatte, aber da hatte er geschlafen. Jetzt, wo er wach war, traute sie sich nicht, ihn anzufassen. Der Engel richtete sich ohne ihre Hilfe auf. Er trank den Becher leer und ließ ihn achtlos auf den Boden fallen, bevor er auf das Bett zurücksank, die Augen wieder geschlossen.

Hendrik unterbrach die lange Stille. "Und ich denke immer noch, dass mein Haus besser...", er verstummte unter dem Blick des Engels.

Der Götterbote schüttelte den Kopf. Seine feingliedrige, weiße Hand machte eine Geste in Richtung des Bauern, als wollte er ihm danken, bevor er zufrieden über die Daunendecken fuhr, unter denen er lag.

"Wollt Ihr nicht lieber in der Kirche...", auch der Priester verstummte unter dem Blick des Gottesboten. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen, als er den Kopf schüttelte.

Noch einmal ließ er seinen dankbaren Blick über die Menschen gleiten, dann deutete er mit einer anmutigen Geste, dass sie ihn alleine lassen sollten.

Gudrun schloss die Schlafzimmertür und folgte den Anderen aus dem Haus. So geehrt sie sich auch fühlten, nach der erdrückenden Gegenwart des Engels spürte selbst der Priester den Wunsch, den freien Himmel über sich zu sehen.

Mina ging der letzte Blick des Engels nicht aus dem Kopf. Als er von den knieenden Menschen zu ihr aufgesehen hatte, hatte sich der Ausdruck seiner Augen verändert. Als er sie angesehen hatte, schien eine Botschaft für sie in seinem Blick gelegen zu haben. Eine Botschaft, die sie nicht verstand.

"Welche Farbe hatten überhaupt seine Augen?", fragte sie leise.

Segen

Der nächste Tag sah sämtliche Einwohner Linbrügges auf Einsgars Hof. Jeder wollte den Engel sehen, wollte ihm seine Ehrerbietung erweisen und seinen Segen erbitten. Gudrun versuchte zunächst, jeden Besuch an seinem Krankenbett zu verhindern, aber der Priester ignorierte ihre Proteste, und erschien bald darauf der wartenden Menge und erklärte Stolz, der Himmelsbote habe ihm mitgeteilt, dass er jetzt die Gläubigen empfangen würde.

Der Priester entschied, dass nicht mehr als drei Personen gleichzeitig den Engel sehen durften und legte die Reihenfolge der Besucher fest. Seine Wahl der ersten Besucher wurde von den Übergangenen mit grimmiger Meine gesehen, aber das Dorf war nicht so groß, dass bis zum Abend nicht jeder seine Gelegenheit haben würde, und man übte sich in Geduld.

Eine Gruppe nach der anderen betrat die Schlafkammer. Manche warfen nur einen scheuen Blick auf den Engel und verließen mit gesenktem Blick das Haus, andere knieten vor dem Bett nieder und erbaten seinen Segen, Alte und Kranke hofften auf Linderung durch die Berührung der makellosen Hände, Mütter brachten ihre Kinder damit sie mit dem Segen des Herrn aufwachsen würden. Nur wenige hatten den Mut, den Engel anzusprechen und flüssterten ihm ihre Anliegen ins Ohr. Als Antwort erhielten sie stets einen Blick aus den unergründlichen Augen, mal scheinbar ablehnend, mal scheinbar zustimmend.

Bis zum Mittag zog sich der Strom der Besucher hin, dann gab der Engel mit einer Geste zu verstehen, dass er nun seine Ruhe wünschte, und der Priester verkündete den enttäuschten Wartenden, dass sie später noch einmal wiederkommen sollten. Einsgars Hof lehrte sich. Gudrun übernahm nun wieder die Herrschaft über die Schlafkammer, während der Priester sich zum Essen an Einsgars Tisch einlud.

Der Engel aß auch an diesem Tag nichts, aber er gab Gudrun zu verstehen, dass er einen Sud aus bestimmten Kräutern trinken wolle. Zielsicher wählte er das Gewünschte aus dem umfangreichen Vorrat, den Mina aus der Vorratskammer hergebracht hatte.

Mina kannte sich mit den Kräutern gerade gut genug aus, um die gewöhnlicheren Sammeln zu können, und sie verstand nicht, warum ihre Herrin den Engel mit zweifelndem Blick ansah, als er seine Wahl traf.

"Lass deine Finger davon", wies Gudrun ihre Magd später in der Küche zurecht, als diese von dem duftenden Sud auf dem Herd probieren wollte.

"Ich wollte doch nur sicher gehen, das alles in Ordnung ist, mit seinem Trank!"

Gudrun schnaubte verächtlich. "Was weißt du schon, was für ihn ein ordentlicher Trank ist. Ich weiß nur eins, ein Mensch kann das nicht trinken, was er sich da ausgesucht hat.

Und geh vom Herd weg, geh' überhaupt aus der Küche und lass die Tür auf. Von dem Dampf hier wird mir schon ganz schummerig."

Der Mittag verstrich und die Menschen fanden sich wieder auf dem Hof ein, aber die Haustür blieb geschlossen.

Nicht nur diejenigen, die am Morgen vergeblich gewartet hatten, waren wiedergekommen, auch viele von denen, die ihre Audienz mit dem Himmelsboten gehabt hatten, war erneut vorbeigekommen und hofften auf Neuigkeiten. Als die Wartenden langsam unruhig wurden, trat der Priester aus dem Haus. Der Engel würde heute keine Besucher mehr empfangen. Wütende Rufe klangen ihm entgegen.

"Wie, er will uns nicht mehr sehen?"

"Aber mein Bein plagt mich so!"

"Und wie ist es Morgen?"

Der Priester setzte eine strenge Miene auf.

"Es ziemt sich nicht, sich derart in der Nähe eines Boten des Herrn aufzuführen! Der Heilige ist noch von seinem Kampf mit dem Dämon erschöpft, und kann sich heute nicht mehr mit deinem Bein abgeben, Hannes! Und wer den Segen des Herrn nötig hat, kann mit mir zur Kirche kommen, ich halte jetzt nämlich eine Messe!"

Etwa die Hälfte der Versammeltem folgte ihm in die Kirche, aber auch sie schlossen sich später dem Streit an, der begonnen hatte, vom Dorf Besitz zu ergreifen.

Die am Morgen vergeblich gewartet hatten, waren wütend auf die Glücklichen, die den Engel gesehen hatten und auf den Priester. Man vermutete Ränke und böse Pläne. Aber auch die Auserwählten, die den Segen des Engels erhalten hatten, beäugten einander argwöhnisch. War nicht der eine viel länger beim Engel gewesen als man selber? Hatte nicht der Engel das eigene Anliegen mit einem ablehnenden Blick bedacht, während der Nachbar mit einem zufriedenen Lächeln aus der Kammer gekommen war?

Der Engel

Das Haus Einsgars war nicht von dem Streit ergriffen. Der Herr und das Gesinde waren allesamt zufrieden, mit der Ehre des Besuchs gesegnet zu sein. Nur zwei Menschen fanden keine Ruhe, als die Nacht hereinbrach. Gudrun plagte sich mit Gedanken, die sie niemandem mitzuteilen wagte, und Mina gingen die Augen des Engels nicht aus dem Kopf. Da war etwas in seinem Blick, jedes mal, wenn er sie ansah, das sie nicht verstand.

Bis Mitternacht war schließlich auch Gudrun eingeschlafen, ihre Gedanken vom Vertrauen in die göttliche Allmacht beruhigt, und so bemerkte niemand, dass Mina in der Dunkelheit in die Schlafkammer des Engels schlich.

Vorsichtig schloß sie die Tür hinter sich, und lauschte in die Dunkelheit. Sie hörte den ruhigen Atem des Engels, er schien zu schlafen. Sie kam sich auf einmal töricht vor, was wollte sie hier? Sie sollte besser zurück in ihr eigenes Bett, bevor sie noch den Gast aufweckte. Doch sie blieb mit dem Rücken zur Tür stehen, bis sie hörte, wie der Engel sich aufsetzte. Die Kerze neben dem Bett entzündete sich von alleine, und wieder sah Mina den Blick in seinen Augen, der sie keine Ruhe finden ließ. Der Mund des Engels formte sich zu einem seiner seltenen Lächeln und er winkte Mina zu sich heran.

Gefangen in seinem Blick folgte sie seiner Geste. Als der Engel nach ihrer Hand griff, begann sie zu ahnen, was er von ihr wollte. Aber das konnte nicht sein, er war ein Engel, ein Diener des Herrn, frei von unreinen Gedanken, frei von Begierden!

Er zog sie zu sich herab und streichelte mit der anderen Hand ihr Gesicht. Nun war das Verlangen in seinen Augen für Mina klar zu lesen, und mit diesen Augen so nahe vor ihr, flohen alle Zweifel und alle Erinnerungen an die Predigten und Lektionen des Priesters.

Sie half ihm, als er ihr das Nachtgewand vom Körper streifte und presste sich begierig an seinen Körper. Sein Haut war heiß unter der Bettdecke und sein Kuss brannte wie Feuer auf ihren Lippen.

Kurz vor Sonnenaufgang war sie unbemerkt in ihr Bett zurückgekehrt, und in einen erschöpften Schlaf gefallen, nur um bald darauf, wie alle anderen auf Einsgars Hof von lautem Lachen geweckt zu werden.

Das Lachen erklang von der Wiese zum Fluß hin und schallte so laut durch die Nacht, dass selbst aus den Häusern am anderen Ende des Dorfes die Menschen gelaufen kamen, und bald hatte sich das ganze Dorf eingefunden. Die Menschen starrten verwirrt auf den stummen Engel, der nun im Licht der Sterne stand und lachte, dass es von den Bergen wiederhallte.

Gerade als sich der östliche Himmel grau zu färben begann, reckte der, den sie für einen Engel gehalten hatten, die Arme den verlöschenden Sternen entgegen und entfaltete sein Schwingen, zwei fürchterliche Schatten, die das Licht des Morgengrauens verdunkelten. Mühelos hoben ihn diese schrecklichen Flügel empor, und trugen ihn dem dunklen westlichen Horizont entgegen.